BioNTech kauft Biotheus für 1 Mrd. US-Dollar
Die Partnerschaft vom vergangenen Herbst führt nun zur Verschmelzung: Die Mainzer BioNTech kauft für eine knappe Milliarde US-Dollar die chinesische Firma Biotheus, die eine Plattform für die Entwicklung neuer Antikörperformate mitbringt. Die ursprüngliche Partnerschaft drehte sich um einen einzelnen bispezifischen Antikörper der Chinesen, der gleichzeitig PD-L1 und VEGEF erkennt. In der Pipeline von Biotheus schlummern weitere rund zehn am Reißbrett konstruierte Antikörpermoleküle gegen bestimmte Krebszielmoleküle sowie gegen Entzündungsreaktionen. Vorab zahlt BioNTech 800 Mio. US-Dollar, weitere 150 Mio. US-Dollar können an die Anteilseigner von Biotheus bei weiterem klinischen Fortschritt noch nachträglich fließen.
BioNTech macht keine halben Sachen mehr. Die vielen Milliarden an Finanzmitteln im Keller werden nun auch in Übernahmen oder zumindest Beteiligungen (wie bei der britischen Autolus Therapeutics) gesteckt. Jetzt kaufen die Mainzer die chinesische Antikörperfirma Biotheus Inc., mit der sie erst im vergangenen Herbst ein Kooperationsprojekt gestartet hatten, und übernehmen deren Technologieplattform für das Neudesign polyvalenter Antikörper für vorab 800 Mio. US-Dollar. Wenn das 300 Mitarbeiter zählende Unternehmen in Zhuhai bei Macau und Hongkong weiterhin gute Arbeit leistet und klinische Fortschritte erzielt werden, können weitere 150 Mio. US-Dollar in Abhängigkeit von Meilensteinen hinzukommen. Die ursprüngliche Partnerschaft wurde von BioNTech mit einer Vorabzahlung von rund 50 Mio. US-Dollar honoriert, der gesamte Deal hatte jedoch auch schon die Größenordnung von 1 Mrd. US-Dollar.
China und chinesische Partnerunternehmen werden für BioNTech immer wichtiger. In den vergangenen Monaten schlossen die Mainzer mit Duality Biologics und MediLink Partnerschaften in Milliardenhöhe, die zum Teil auch die gemeinsame Entwicklung von Kombinationstherapien mit Wirkstoffen aus der eigenen Pipeline oder denen eines anderen chinesischen Partners beinhalten. Im Juni 2024 begann beispielsweise die Evaluierung von BNT327/PM8002 als Kombinationstherapie mit BNT325/DB-1305 in einer laufenden Phase I/II-Studie, einem ADC-Kandidaten, der auf das Trophoblast Cell-Surface Antigen 2 (TROP2) abzielt und gemeinsam mit Duality Biologics (Suzhou) Co., Ltd. entwickelt wird.
Ursprünglich war es genau dieser bispezifische Antikörper PM8002 von Biotheus, den BioNTech im Rahmen einer weltweiten Suche nach Ergänzungen für die eigene Krebsmedikamentenpipeline entdeckt hatte. Mit der Umbenennung in BNT327/PM8002 war bereits klar, wer bei der weiteren Entwicklung die Nase vorn haben würde, auch wenn Biotheus die Vermarktungsrechte für die Region China behalten hatte. BioNTech zahlt die vielen Millionen nun auch für die kompletten weltweiten Vermarktungsrechte des Antikörpers, gewinnt aber auch weitere Assets von Biotheus hinzu.
In klinischen Studien mit mehr als 700 behandelten Patienten, die unter verschiedenen Tumoarten litten, zeigte BNT327/PM8002 eine gute Verträglichkeit und eine nach Unternehmensangaben „ermutigende“ Wirksamkeit. Der Beginn mehrerer zulassungsrelevanter Studien in verschiedenen soliden Tumorindikationen ist für die kommenden Monate geplant. Die Studien sollen BNT327/PM8002 unter anderem in Kombination mit Chemotherapie bei Patientinnen und Patienten mit kleinzelligem Lungenkrebs (SCLC“), nicht-kleinzelligem Lungenkrebs (NSCLC“) und dreifach negativem Brustkrebs (TNBC“) untersuchen. Weitere Studien werden die Kombinationsmöglichkeiten von BNT327/PM8002 mit BioNTechs eigenen Antikörper-Wirkstoff-Konjugaten (ADCs) untersuchen, von denen einige aus anderen chinesischen Partnerschaften stammen.
„Die Übernahme von Biotheus baut auf unserer erfolgreichen Zusammenarbeit mit BNT327/PM8002 und anderen bispezifischen Antikörperkandidaten auf“, kommentierte Prof. Dr. Ugur Sahin, CEO und Mitbegründer von BioNTech. „Wir glauben, dass BNT327/PM8002 das Potential hat, in mehreren onkologischen Indikationen einen neuen Behandlungsstandard zu setzen, der über die traditionellen Checkpoint-Inhibitoren hinausgeht. Wir sind entschlossen, die Forschung und Entwicklung von BNT327/PM8002 in Kombination mit unseren Prüfpräparaten in den Bereichen mRNA-Vakzine, zielgerichtete Therapien und Immunmodulatoren voranzutreiben.“
Auf die Frage von |transkript.de, wie man mit China beziehungsweise chinesischen Unternehmen im Hinblick auf Überlegungen zu Handelsbeschränkungen oder konkreten Kooperationsverboten, wie sie der BioSecure Act der USA bisher vorsieht, umgehe, antwortete eine Unternehmenssprecherin, dass man die Situation sehr genau beobachte. Sollte der entsprechende Gesetzesentwurf in den USA unterzeichnet werden, „wird BioNTech sicherstellen, dass wir ihn entsprechend erfüllen können“.
Für das Unternehmen, so die Sprecherin, stehe der Wirkstoff im Vordergrund, die klinische Entwicklung finde global statt. Zwei globale Phase II-Studien liefen an Studienzentren in den USA, Großbritannien und Australien. Die Fusion mit Biotheus gebe BioNTech nun die Möglichkeit, die Entwicklung dieses Assets weiter zu beschleunigen. China ist für BioNTech bereits eine wichtige Quelle für Wirkstoffinnovationen, vielleicht ist der Kauf die sicherere Variante in unsicheren globalen Handelsbeziehungen.